Von Null auf Eins

Porsche 919 (Foto)

Wie gut sich ein Porsche fährt, das ist in immer stärkerem Maße auch von seiner Software abhängig. Aus diesem Grund gibt es bei der Sportwagenmarke schon seit 2001 eine eigene Abteilung für Softwareentwicklung. Deren Arbeit verhilft Porsche nicht nur zu Rekordzeiten auf der Rennstrecke, sondern dient auch dem optimalen Energiemanagement elektrifizierter Fahrzeuge – und das sogar im gesamten Volkswagen Konzern.

Sieben Minuten. Eine Zahl wie in Stein gemeißelt. Sie zu unterbieten, daran hat ein kleines Team von Porsche Ingenieuren über Monate gearbeitet. An einem klaren Septembermorgen, kurz vor der offiziellen Weltpremiere des 918 Spyder1, ist es so weit: Rennfahrer Marc Lieb lenkt den Hybrid-Supersportler in 6:57 Minuten über die legendäre Nordschleife des Nürburgrings. Weltrekord.

Dieser Erfolg ist nicht nur dem kompromisslos sportlichen Fahrwerk, der adaptiven Aerodynamik und der gewaltigen Systemleistung von 652 Kilowatt (887 PS) zu verdanken. Er ist auch das Resultat eines perfekten Zusammenspiels aller Antriebskomponenten: Im 918 Spyder arbeiten zwei Elektromotoren, je einer an Vorder- und Hinterachse, und ein aus dem Rennsport stammender V8-Benzinmotor Hand in Hand. Koordiniert werden alle Komponenten von einem „Hybridmanager“ – einer Software, die integraler Bestandteil der Motorsteuerung ist. Sie berechnet die jeweils günstigste Fahrstrategie, um das Ziel mit möglichst geringem Energieeinsatz zu erreichen.

6:57

Minuten: Weltrekord des Porsche 918 Spyder auf der Nordschleife des Nürburgrings

So startet der 918 Spyder wie alle Plug-in-Hybridfahrzeuge des Volkswagen Konzerns stets im reinen Elektromodus, um kürzere Strecken vollständig elektrisch zurückzulegen. Wird die Batterie schwächer oder soll der Ladestand gehalten werden, kommt der Hybridmodus zum Einsatz. Die elektrischen Maschinen dienen nun vor allem dazu, den Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors zu erhöhen. Drei zusätzliche Fahrprogramme, auf Tastendruck aktivierbar, sorgen für sportliches Fahren auf der Straße und der Rennstrecke. Auf ambitionierte Fahrer übt der „Hot Lap“-Modus einen besonderen Reiz aus: In diesem Modus werden Elektromotor und Batterie bis an die Grenzen des technisch Möglichen belastet. Die daraus resultierende Antriebskraft ist enorm.

Fünf verschiedene Fahrprogramme mit jeweils ganz eigenständigem Charakter – das ist nur mithilfe von Bits und Bytes möglich. Dafür ist die Abteilung für Software-Entwicklung bei Porsche verantwortlich. „Uns geht es nicht darum, alles selbst zu machen“, erläutert Dr. Rolf Zöller, der für den Aufbau der Abteilung im Entwicklungszentrum Weissach verantwortlich war und sie noch heute leitet. „Wir wollen vor allem solche Funktionen in Eigenregie entwickeln, die das Porsche typische Fahrerlebnis ausmachen.“ Dazu zählt er beispielsweise die Schaltstrategie für das Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK). „Wir kümmern uns vorrangig darum, wann und wie geschaltet wird.“

Porsche 918 Spyder (Foto)

„Wir entwickeln vor allem solche Funktionen, die das Porsche typische Fahrerlebnis ausmachen.“

Dr. Rolf Zöller, Leiter Softwareentwicklung Porsche

Dr. Rolf Zöller (Foto)

In Zusammenarbeit mit anderen Konzernbereichen und weiteren Partnern wird die Software für das Getriebesteuergerät entwickelt. Dazu gehören Diagnosefunktionen oder die Ansteuerung einzelner Komponenten, die das Fahrerlebnis nicht unmittelbar beeinflussen.

Was in einem Porsche derart charakterprägend wirkt, muss ebenso sicher wie perfekt funktionieren. Dafür sorgt ein Entwicklungsprozess, der aus Methoden der Software-Industrie abgeleitet wurde. Während der Entwicklung eines neuen Modells testet Porsche regelmäßig die komplette Software in einem sogenannten „Verbund-Release“. Dafür werden alle einzelnen Programme, die später auf mehrere Dutzend Steuergeräte verteilt ihren Dienst verrichten, gemeinsam getestet. Erst wenn alles im Verbund fehlerfrei funktioniert, darf die Software in ein Serienauto.

Porsche 919 (Foto)
Uwe Michael (Foto)

„Mit unserer modularen Software können wir uns voll darauf konzentrieren, innovative Ideen umzusetzen.“

Uwe Michael, Leiter Elektrik- und Elektronikentwicklung Porsche

Anders arbeiten die Porsche Ingenieure an der Rennstrecke: Wo immer der Langstreckensportler Porsche 919 Hybrid antritt, wird er von mindestens einem Software-Experten begleitet. Via Laptop setzt der Fachmann Fahrerwünsche oder neue Erkenntnisse über die Strecke sofort um. Möglich ist das, weil in dem Rennwagen spezielle Steuergeräte verbaut sind, die alle Eingaben in die Sprache der Prozessoren übersetzen – einen Binärcode aus Nullen und Einsen. Bei Serienfahrzeugen wird diese Übersetzungsarbeit in einen maschinenlesbaren Code, von den Ingenieuren „Kompilierung“ genannt, vorab geleistet.

Die Softwareentwickler von Porsche arbeiten eng mit ihren Konzernkollegen in Wolfsburg, Ingolstadt und München zusammen. Denn die moderne Software ist immer modular aufgebaut, sodass möglichst große Umfänge in verschiedenen Baureihen aller Marken verwendet werden können. „Wir vermeiden dadurch Doppelarbeit und können uns voll darauf konzentrieren, innovative Ideen umzusetzen“, erläutert Uwe Michael, bei Porsche für die Elektrik- und Elektronikentwicklung verantwortlich. Als Beispiel nennt er ein Software-Modul zur Berechnung der Restreichweite. Für den Fahrer eines elektrifizierten Fahrzeugs ist es entscheidend, stets zuverlässig zu wissen, wie lange der Ladestand der Batterie noch ausreicht. Ob Volkswagen e-Golf2 oder Porsche 918 Spyder: Das Programm, das die Berechnung übernimmt, stammt aus Weissach.

3,1

Liter Kraftstoff und 12,7 Kilowattstunden Strom: Normverbrauch des Porsche 918 Spyder pro 100 Kilometer

Künftig soll die Software sogar noch mehr können. Ist die Gesamtreichweite genau bekannt, lässt sich für die zurückzulegende Strecke schon im Voraus eine optimale Fahrstrategie berechnen. Noch ist dieser „Reichweitenmanager“ eine Idee, doch an der Serientauglichkeit wird bei Porsche bereits gearbeitet. Denn auf der Rennstrecke wie auf der Straße gilt: Wer gut funktionierende und innovative Software an Bord hat, kommt schneller und effizienter ans Ziel als andere.

1 Porsche 918 Spyder Kraftstoffverbrauch in l/100 km kombiniert von 3,0 bis 3,1; Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km 12,7; CO2-Emissionen in g/km kombiniert von 70 bis 72.

2 Volkswagen e-Golf Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km 12,7; CO2-Emissionen in g/km kombiniert 0.
Porsche Panamera Kraftstoffverbrauch in l/100 km kombiniert von 3,1 bis 10,7; Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km 16,2; CO2-Emissionen in g/km kombiniert von 71 bis 249.

TEXT
Johannes Winterhagen

FOTOGRAFIE
Georg Roske