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Prof. Dr. Martin Winterkorn (Foto)

50 Steuergeräte, teilautonomer Staupilot, „always on“ via Internet – das moderne Auto ist zum Computer auf vier Rädern geworden. Jetzt nimmt die Digitalisierung erneut Fahrt auf und verändert die Automobilindustrie von Grund auf. Prof. Dr. Martin Winterkorn denkt darüber nach, welche Umbrüche bevorstehen und wie man sie angehen muss.

Unsere Welt verändert sich in atemberaubendem Tempo. Die Globalisierung, sich rasant wandelnde Technologien und das Internet sind Motor dieses Wandels. Die Digitalisierung revolutioniert unser Leben ähnlich einschneidend wie es die industrielle Revolution vor 200 Jahren getan hat. Computer, Smartphones und Roboter definieren neu, wie wir kommunizieren, einkaufen, unsere Freizeit verbringen – wie unser Alltag im Büro und in der Fabrik aussieht. Und natürlich verändert die Digitalisierung auch die Art und Weise, wie wir mobil sind.

Für das Auto hat eine neue Ära begonnen: Der gesellschaftliche Wertewandel und die strengen CO2-Gesetze überall auf der Welt sind Treiber für immer sparsamere Antriebe, für Elektromobilität, Leichtbau und die energieeffiziente Fabrik. Die Urbanisierung erfordert neue, intelligente Verkehrskonzepte. Immer höhere Rechenleistung, schnelle Datennetze und günstige Speicher sind die Zutaten, dank derer Menschen „always on“ sein können. Das Auto wird zum rollenden Computer: Motor- und Fahrwerksteuerung, Assistenzsysteme, Navigation, Kommunikation, Infotainment und das automatisierte Fahren entwickeln sich rasant.

Unser Anspruch ist es, Motor dieses Wandels zu sein. Wir wollen „Fortschritt bewegen“. Der Volkswagen Konzern und die gesamte Automobilindustrie starten dabei nicht bei null. Wir gehören seit Langem zu den Vorreitern der Digitalisierung. Jetzt erhöhen wir das Tempo noch einmal. Wir bringen die digitale Welt in unsere Fahrzeuge und vernetzen die bordeigene Sensorik mit unseren Rechenzentren. Die Fahrzeugflotte wird so zum intelligenten Schwarm, auf dessen Basis wir neue Mobilitätsdienste vorantreiben können. Daten in Echtzeit sind auch die Voraussetzung für das teilautomatisierte Fahren und eine intelligente Steuerung des Verkehrs in den Innenstädten oder auf Autobahnen.

„Wir können und müssen die digitale und die mobile Welt zusammenführen.“

Prof. Dr. Martin Winterkorn

Auch unsere Fabriken stehen vor dem nächsten großen Automatisierungsschub. Die voll vernetzte Fertigung in einer „Industrie 4.0“ nimmt Gestalt an. Maschinen entlasten unsere Mitarbeiter von monotonen, nicht ergonomischen Tätigkeiten. Die Roboter verlassen ihre „Schutzkäfige“ und arbeiten in Zukunft Seite an Seite oder sogar Hand in Hand mit den Menschen.

Im Handel ist das Internet zum wichtigsten Showroom geworden. Jetzt geht es darum, die virtuelle, digitale Erlebniswelt nahtlos mit der realen zu verknüpfen. Der intelligente Umgang mit Big Data macht es zudem möglich, neue Software-Lösungen und Dienstleistungen rund ums Auto zu entwickeln, die unseren Kunden echten Mehrwert bringen und dem Unternehmen zusätzliche Geschäftschancen eröffnen.

Schöne neue digitale Autowelt? Sicher, es gilt, weitreichende Fragen zu klären: Wird die Fabrik von morgen menschenleer sein? Ist die Verkehrsinfrastruktur bereit für die Möglichkeiten der digitalen Welt? Und wie schützen wir sensible Kundendaten vor dem Missbrauch? Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst – und wir setzen uns mit all diesen Fragen intensiv auseinander. Gleichzeitig plädiere ich dafür, nicht nur die Risiken, sondern vor allem auch die Chancen der Digitalisierung zu sehen: Für die Menschen wird das Fahren komfortabler und sicherer, gleichzeitig entlasten wir die Umwelt durch optimale Nutzung unserer Ressourcen. Für die Wirtschaft ergeben sich großartige Potenziale für neue Technologien und Geschäftsideen, die Wachstum und Wohlstand bringen können.

Trotz aller Herausforderungen bin ich überzeugt: Wir können und müssen die digitale und die mobile Welt zusammenführen. Deshalb ist die Digitalisierung einer der großen Bausteine unseres konzernweiten Zukunftsprogramms „Future Tracks“, das wir im Frühjahr 2014 auf den Weg gebracht haben. Auf unserem Weg in die neue digitale Welt der Mobilität dürfen wir eines aber nicht versäumen: Die Menschen – unsere Kunden, Partner und Mitarbeiter – mitzunehmen. Orientierung, Sicherheit und Vertrauen – diese Werte sind und bleiben das Fundament für den technologischen Fortschritt.

FOTOGRAFIE
Hartmut Nägele